Kloster auf Zeit

Kloster auf Zeit - Zeit im Kloster

Tägliches Aufstehen um 4:30 Uhr, Beten bis zum Umfallen, umgeben von schweigenden, konservativ eingestellten Mönchen = ora et labora im Kloster? Nicht ganz.

Die diesjährige Klosterfahrt haben wir zu sechst, gemeinsam mit Frau von Höne-Sievers, vom 06. bis 09. Juni in Nütschau in Schleswig-Holstein verbracht und sind dem Wahrheitsgrad derartigen Klischees auf den Grund gegangen.

Reflexion der Klosterfahrt 2023

Mit dem Läuten der Kirchenglocken wurden wir morgens um 6 Uhr geweckt und begaben uns um 6:30 Uhr zur Vigil („Nachtwache“, Morgengebet) und Laudes (Lob Gottes) in die Kirche. Das frühe Aufstehen und Zusammenkommen in der Kirche vor dem Frühstück wurde von mir bereits ab dem zweiten Tag als normal empfunden, hat mir eine gewisse Orientierung verliehen und dazu beigetragen, bereits früh am Morgen produktiv sein zu wollen. Nach dem Morgengebet habe ich mich erfrischt und aufgeweckt gefühlt, was ich anfangs nicht erwartet hätte. Dank der das Kloster umringenden ländlichen, idyllischen Umgebung war es uns möglich, dem stressigen Alltag in städtischer, meist von Lärm durchzogenen (schulischen) Umgebung zu entfliehen und etwas zur Ruhe zu kommen.

Nach dem Frühstück folgte eine ca. zweistündige Arbeitsschicht, die unter anderem aus Kaminholzaufstapeln, meditativem (!) Fugenkratzen und Unkrautjäten bestand, wonach um 11:45 Uhr, vor dem Mittagessen, gemeinsam das Mittagsgebet abgehalten wurde. Die Gebete zeichneten sich insgesamt zwar durch einige Momente des Schweigens aus, was jedoch meines Erachtens nach dem Innehalten und Insichgehen gutgetan hat und wodurch ich auch das zuvor Gelesene, Gesungene und Gehörte, wie beispielsweise die Psalmen und Lesungen, besser verarbeiten konnte.

Bis 17:30 Uhr, als die Vesper (Abendgebet) und Eucharistiefeier stattfand, gingen wir erneut unseren zugeteilten Beschäftigungen nach, entweder im Garten, Wald oder Jugendhaus, wo wir den Gedanken freien Lauf – und je nach Arbeitsort auch die Natur auf uns wirken lassen konnten.

Den durch die Gebetszeiten vorgegebenen strukturierten Tagesablauf habe ich persönlich als sehr angenehm und Halt gebend empfunden, da weniger Zeit damit verbracht werden musste, darüber nachzudenken, was für den Tag ansteht und es uns so möglich war, sich auf sich selbst und die Umgebung zu fokussieren und im Moment zu leben. Unter anderem führte ich beispielsweise eine Art „Screen Detox“, wodurch ich für den Großteil der Zeit digitale Unerreichbarkeit genoss, was mir rückblickend betrachtet gutgetan hat, um auch Stress abzubauen und die schulischen Pflichten für diese Woche etwas beiseite zu legen.

Aktuell wohnen 19 Mönche im Alter von 34 bis 92 Jahren im Kloster Nütschau. Zweien von ihnen, Bruder Bonifatius und dem Prior, Bruder Johannes, durften wir persönlich begegnen und ihnen Fragen aller Art stellen. Nicht erwartet hätte ich, dass sie so herzlich und offen uns gegenüber waren und sich auch den einen oder anderen Spaß mit uns erlaubt haben. Was mir außerdem besonders gefallen hat, war die positive Ausstrahlung der Mönche. Sie alle vermittelten den Eindruck von purer Lebensfreude und vollster Zufriedenheit und schienen eins mit ihrer Berufung (≠ Beruf) zu sein, was schön anzusehen war.

Highlight für uns war es außerdem zu erfahren, dass den Mönchen auf dem Klostergrundstück ein Pool zur Verfügung steht (den wir natürlich ausgetestet haben) und dass der Prior besser Tischkicker spielt als wir und sich von uns überreden ließ, nach der Komplet (Schlussgebet) um 21:15 Uhr noch ein Krökelturnier mit uns zu veranstalten, das er im Übrigen gewonnen hat.

Was ich mir darüber hinaus durch den Kontakt mit der Schülergruppe für die Zukunft angeeignet habe, ist das abendliche Meditieren, welches wir gemeinsam im „Raum der Stille“ abhielten. Das hat mich dazu motiviert, mir auch mal Zeit und vor allem Ruhe für mich selbst zu nehmen, um den vergangenen Tag zu rekapitulieren und vor dem Zubettgehen zu entspannen und loszulassen.

Zusammenfassend kann ich feststellen, dass sich die zu Anfang aufgezählten Klischees, die über Mönche und Klöster kursieren, keineswegs bestätigen ließen. Das Angebot „Kloster auf Zeit“, das auch als „Kloster Auszeit“ bezeichnet werden kann, habe ich persönlich sehr genossen und empfehle es jedem und jeder weiter – allein schon aus dem Grund, die Möglichkeit zu erhalten, sich mit einer neuen, womöglich noch fremden Lebensweise auseinandersetzen zu können und diese, in religiöser Ausdrucksweise, am eigenen Leibe zu erfahren.

Amélie, Jg. 12

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner